Durchstarten mit der Berufslehre
Die Schweiz ist das einzige Land, in dem sich fast zwei Drittel der Jugendlichen für eine Berufslehre entscheiden. Noch immer sind allerdings manche Eltern skeptisch und bevorzugen für ihre Kinder das Gymnasium – und zwar längst nicht nur jene, die selber diesen Weg beschritten haben. Denn das Vorurteil hält sich hartnäckig: Wer mit dem Gymnasium startet, verdient später mehr Geld und hat grössere Chancen auf eine Führungsposition.
Gleiche Karrierechancen
Aber stimmt das tatsächlich? Professor Jürg Schweri von der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB in Zollikofen hat dies mit seinem Team untersucht. Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) analysierten die Forschenden Arbeitsmarktdaten der letzten 20 Jahre. Fazit: «Die Berufslehre eröffnet den jungen Leuten gleich gute Karrierechancen wie das Gymnasium», hält Jürg Schweri fest.
In der Studie vergleicht das Team Berufswege, die parallel verlaufen. Zum Beispiel eine junge Frau, die mit einer Berufslehre startet und anschliessend einen Abschluss an einer Fachhochschule erlangt, mit einem jungen Mann, der nach dem Gymnasium ein Studium an der Universität absolviert. Oder einen Berufslehrabgänger mit einer Maturandin, die beide eine höhere Berufsbildung absolvieren, also zum Beispiel mit dem Abschluss einer höheren Fachprüfung.
Interessant sind vor allem folgende Punkte: Personen mit Studium oder höherer Berufsbildung sind im Durchschnitt am besten vor Arbeitslosigkeit geschützt. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob jemand vorgängig eine Berufslehre absolviert oder das Gymnasium besucht hat. Auch bei den Durchschnittslöhnen sind Absolvent:innen eines Studiums oder einer höheren Berufsbildung im Vorteil. Aber auch hier ist es nicht entscheidend, ob mit Berufslehre oder Gymnasium als Erstausbildung. Mit der Kombination Gymnasium/Universität kommt man im Vergleich zur Kombination Berufslehre/Fachhochschule zwar eher in den Genuss eines Spitzenlohns. Allerdings ist die Gefahr für Berufslehrabgänger:innen kleiner, später einmal ganz wenig zu verdienen.
Fähigkeiten und Interessen zählen
Was künftige Führungspositionen betrifft, haben Berufslehrabgänger:innen sogar die leicht besseren Karten: Der Anteil der Erwerbstätigen mit Vorgesetztenfunktion bei den Berufslehrabgänger:innen mit Abschluss an einer Fachhochschule war in den vergangenen 20 Jahren leicht höher als bei Gymnasiasten mit einem Universitätsabschluss.
«Bei der Wahl zwischen Berufslehre und Gymnasium sollen sich die jungen Leute an ihren Interessen und Fähigkeiten orientieren», ist Jürg Schweri vom EHB deshalb überzeugt. «Beide Wege bieten ihnen viele Entwicklungsmöglichkeiten und schöne Berufskarrieren. Darum ist es wichtig, dass junge Leute verschiedene Wege prüfen, sich breit informieren und schnuppern gehen.»
Jürg Schweri von der EHB untersuchte die Karrierechancen, die eine Berufslehre bietet.