Ein Jahr für dich – ein Blick hinter die Kulissen eines GAP Years

Was tun nach der Schule? Während viele Jugendliche direkt in eine Ausbildung oder ein Studium starten, entscheiden sich andere bewusst für eine Auszeit – ein sogenanntes GAP Year. Ob Schule, Freiwilligenarbeit, Reisen oder Jobben im Ausland: Ein GAP Year bietet die Chance, neue Kulturen kennenzulernen, über sich hinauszuwachsen und herauszufinden, wohin der eigene Weg führen soll.

Lynn hat sich genau dafür entschieden. Nach der 9. Klasse packte sie mit 15 Jahren ihre Koffer und verbrachte zehn Monate in England. In Kidderminster, einem kleinen Ort in der Nähe von Birmingham, lebte sie bei einer Gastfamilie, besuchte die öffentliche Schule und tauchte in den britischen Alltag ein. Im Interview erzählt sie uns, warum sie sich für diese Zeit entschieden hat, wie sie sich vorbereitet hat – und was sie heute mit anderen Augen sieht.

Lynn, warum ein GAP Year?

Ich war mir nach der 9. Klasse unsicher, welchen beruflichen Weg ich einschlagen möchte. Gymnasium war für mich keine Option, und trotz vieler Schnupperlehren fand ich nichts, das wirklich passte. Dann brachte meine Familie die Idee eines Zwischenjahres ins Spiel. Zur Auswahl standen ein 10. Schuljahr oder ein GAP Year im Ausland – meine Entscheidung war schnell klar.

Wie hast du dich informiert?

Ich habe Broschüren von verschiedenen Organisationen bestellt, Einblickstage besucht und unzählige YouTube- Videos geschaut – die haben mir nicht nur bei der Entscheidung, sondern auch beim Packen geholfen.

Warum England?

Ein englischsprachiges Land stand für mich fest. USA und Australien waren mir mit 14 zu weit weg. England mochte ich seit einem London-Städtetrip und durch meine damalige Lieblingsband. Auch das britische Englisch hat mich fasziniert.

War das Jahr so, wie du es dir vorgestellt hast?

Ganz anders – aber im positiven Sinn. Egal wie sehr man plant, es kommt anders. Man lebt mit fremden Menschen in einem neuen Land – das lässt sich kaum vorher ausmalen. Und genau das macht es so besonders.

Wie viel Zeit hast du für die Planung gebraucht?

Ich habe mit der Organisation 10 Monate vorher angefangen. Meine Eltern haben viel übernommen – Versicherung, Visa, Bankkonto. Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen, und man muss Fristen der Organisationen einhalten.

Gab es Überraschungen bei der Organisation?

Ja – ich dachte, ich lande irgendwo am Meer, weil die Organisation «South England Exchange» hiess. Am Ende wurde ich in Kidderminster platziert – ländlich, nahe Wales, aber sehr herzlich.

Hast du mal gedacht: «Oh nein, ich schaff das nie» – und wie bist du dann weitergekommen?

Ich hatte genau diesen Moment vor meinem ersten Schultag. Jede / r weiss, wie stressig der erste Schultag an einer neuen Schule sein kann, und dann niemanden zu kennen und die Sprache nicht zu beherrschen, hat mich in diesem Moment überrumpelt. Ich habe dann doch meine Eltern angerufen, obwohl davon oft abgeraten wird. Danach ging’s mir viel besser – und der erste Tag war dann gar nicht so tragisch, sondern eigentlich ziemlich cool.

Wie war der Kontakt zu anderen jungen Leuten oder zur lokalen Bevölkerung?

Sehr offen! Die Engländer:innen sind kontaktfreudig, ein bisschen verrückter als wir Schweizer – das hat mir gefallen. Ich habe schnell Anschluss gefunden und bin mit einigen bis heute in Kontakt.

Was hat dich überrascht?

Dass man im 12. Schuljahr nur drei Fächer wählt und entsprechend wenig Unterricht hat – der Rest ist Selbststudium. Und dass es zum Mittagessen dort regelmässig «Chip Baguette» gegeben hat, prägt mich bis heute noch. Also ein Baguette gefüllt mit Pommes – die Engländer:innen sind voll darauf abgefahren. Und natürlich der Selbstbräuner, in dem so ziemlich alle Girls an meiner Schule getränkt waren.

Dein schönstes Erlebnis? Dein schwierigstes?

Es gab viele Highlights: Ausflüge mit meiner Gastfamilie oder Freunden, ich habe unglaublich viel von England gesehen. Schwer war, dass ich zwei Familienmitglieder verloren habe und mich gegen eine Rückreise entschieden habe – auch mit so etwas muss man rechnen.

Was hast du über dich selbst gelernt?

Das ich zu viel mehr fähig bin, als ich gedacht habe. Ich war jung, weit weg von zu Hause – und trotzdem hat alles irgendwie funktioniert.

Was kannst du jetzt, was du vorher nicht konntest?

Neben dem abartig coolen britischen Akzent, den ich jetzt habe, habe ich gelernt:

  • Mich selbst zu organisieren. Wenn du den Arzttermin nicht vereinbarst, nicht selbst das Gate am Flughafen findest oder dir ein Gym-Abo holst, tut es sonst auch keiner.
  • Wie ich nach Hilfe frage und dass um Hilfe bitten nichts Schlechtes ist.
  • Mit Leuten und vor Leuten zu sprechen – auch wenn ich sie nicht kenne.
  • Wie es ist, Geschwister zu haben. Ich bin ein Einzelkind und in England hatte ich auf einmal drei Gastgeschwister im Alter von 8 - 15 Jahren.
  • Wie ich mit begrenzten Finanzen umgehe und mir das aufteile.

Wie hat dich das GAP Year beruflich beeinflusst?

Zwei Wochen vor meiner Abreise erhielt ich die Zusage für meine Lehrstelle als Mediamatikerin. In England belegte ich «Graphic & Design» – das hat super gepasst. Durch die Selbstorganisation dort fiel mir der Start in die Lehre leichter, auch mit Berufsmatur.

Würdest du wieder ein GAP Year machen?

100 % JA. Wenn ich jetzt zurückblicke, merke ich erst, was mir das Jahr alles gebracht hat. Ich bin in diesem Jahr so gewachsen und habe Erinnerungen fürs Leben gesammelt. Diese Erfahrung nimmt dir niemand mehr (und das Englisch auch nicht).

Was würdest du deinem 15-jährigen Ich rückblickend ins Ohr flüstern?

«Pack den Regenschirm ein.»

Dein Tipp an andere Jugendliche?

Mach es. Wenn du dir nicht sicher bist, in welche Richtung es für dich gehen könnte und es dir die Ressourcen deiner Familie erlauben, nimm dir die Zeit und ich verspreche dir, es wird etwas sein, dass du dein Leben lang ganz nah am Herzen mit dir trägst.

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21. - 24. August 2025

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